Zöblitz

Von Bernd Koenitz

Zöblitz verlor zwar – durch Eingliederung in die Stadt Marienberg zum 31. Dezember  2012 – den Status einer eigenständigen Stadt, kann aber im Jahr 2023 den 700. Jahrestag seiner Ersterwähnung – als „Städtchen“ – feiern. Dies ist ein passender Anlaß, sich neu der Frage nach der Herkunft und „Bedeutung“ seines Namens zuzuwenden. In der Stadtgemeinde geht man, wie aus dem Text der Webseite der Serpentinsteinstadt Zöblitz (Erzgebirge) unter www.zoeblitz.eu (Stand 22.l1.2022) zu schließen, wohl davon aus, daß der Name zwar mit seiner Endung -itz auf einen slawischen Ursprung im 10. Jahrhundert deuten könnte, andererseits aber gerade der Erstbeleg von 1323, da der diese Endung nicht aufweist, „gegen die Slawentheorie“ spreche. In der Tat hat sich die moderne siedlungs- und namenwissenschaftliche Forschung bzgl. des Ursprungs von Ort und Namen unsicher gezeigt. Es gibt m.E. gute Gründe, nicht nur allgemein die Vermutung zu unterstützen, es könne sich um eine slawische Ortsgründung und -benennung handeln, sondern eine vor geraumer Zeit von namhaften Onomasten in den Blick genommene, aber augenblicklich verworfene bestimmte slawische Etymologie aufzugreifen und nunmehr als die wahrscheinlichste zu vertreten. 

Eine Urkunde besagt, daß im Jahre 1323 Markgraf Friedrich von Meißen die Burggrafen Albrecht von Altenburg und Otto von Leisnig mit der Burg Lauenstein und  dem „stetechen Zcobelin mit dem zcolle“ belehnt (Braun 1868: 95). Die Belegreihe ist nach HONSa 2001: II, 648f. diese:

Zöblitz [ehemalige – B.K., s.o.] Stadt östlich Marienberg, Stadt Marienberg: 1323 daz stetechen Zcobelin CDS II 12, 69; 1401 zu Czoboleins (böhm. U) CDS I B 2, 362; 1434 Czebelis, Czebeliß; 1488 Czobelles; 1497 Czobellis, Czoblis, Tzoblis, Zöblis; 1501 Stettlin Zobelis; 1509 zum Zcobles Cop. 110; 1526 ufm Czobloß, zum Zobelitz; 1539/40 Zöbelitz; 1555 Zöppelitz; 1559 Zobliz; 1560 Stedtlein Zobelitz; 1590 Zeblitz; 1595 Zöbelitz, Zoebeliz, Zoebelitzs, Zobelizs; 1791 Zblitz. Dialektal 1878 Zēwlz (Göpfert Mda. Erzgeb. 23); [ʦe:wlʦ], [ʦe:pliʦ] (phonetische Transkription nach API adaptiert).

HONSa (a.a.O.) liefert die letzte mir bekannte analytisch-argumentative Erklärung des Ortsnamens: Es handele sich „am ehesten“ um einen deutschen genitivischen Ortsnamen *Zobelins(dorf) zum Personennamen Zobel mit mittelhochdeutschem deminutiven –lin-Suffix, neuhochdeutsch –lein, ›Siedlung einer (kleinen) Person namens Zobel‹. Die vereinzelte Form auf –in im Beleg zu 1323 könnte die slawisch-tschechische (Mischnamen-)Variante dazu sein. Die weiteren Belege zeigten die Entwicklung von –lins/, –leins mit Verlust des Nasals über –lis, –les, –los zu –litz. Hingewiesen wird auf die dialektale Entrundung von ö zu e, wie sie der Beleg zu 1590 widerspiegele (übersehen wurde dabei der Beleg zu 1434). Vorausgegangen war in der Forschung dieser Darstellung der letzten Forschungsmeinung die notwendige Klarstellung, daß dem Ortsnamen nicht das slawische Lexem *sobolъ ›Zobel‹ noch direkt das aus dem Russischen stammende deutsche Lehnwort Zobel als Basis zugrunde liegen kann (Hengst [1978], zitiert nach ders. 1999: 225), dieses Etymon vielmehr nur über den Personennamen Zobel bzw. dessen Deminutivum mittelhochdeutsch Zobelīn, neuhochdeutsch Zöbelein, als Übername für einen Pelzhändler oder Kürschner, in den Ortsnamen Eingang gefunden haben könnte. (Vgl. ausführliche Argumentation mit wesentlich übereinstimmendem Ergebnis in Strobel 1975: 144-149; Hengst 1978 a.a.O.: 224-228, Eichler/Walther 1986: 308f.).

Alles in allem bestand und besteht das erste Hauptproblem darin, daß (a) die genitivischen Ortsnamen mit Deminutivsuffix –līn-/-lein– sonst nicht von Personennamen abgeleitet sind und als „unechte“ Genitivnamen keine possessivische Bedeutung tragen (es handelt sich etwa um Wohnstättenbezeichungen von der Art wie Dörfleins, Höfleins, Bürgleins, aber auch Bergleins, BrünnleinsBrückleins, analog zu elliptischen deanthroponymischen possessivischen Genitivnamen gebildet – vgl. Schwarz 1961: 195), (b) ein von einem Personennamen abgeleiteter Ortsname mit possessivischer Bedeutung entweder zum Typ der, „echten“, genitivischen Namen gehört und dann die entsprechende morphologische Form, hier: Endung –s, aufweist oder aber zu diesem Bildungstyp nicht gehört, sondern zum Typ Personenname = Ortsname. Dazu, speziell zu (b), steht die Beleggeschichte von Zöblitz mit dem Beleg zu 1323 im Widerspruch. Diesem glaubte man mit Verweis auf den tschechischen Ortsnamen Hevlín gerecht werden zu können, welcher aus dem deutschen genitivischen Deminutivnamen Höflins durch Rückbildung hervorgegangen war, weswegen Zobelin als eine slawische/tschechische Variante („Mischname“) von Zobelins gelten könne (vgl. Hosák/Šrámek 1970: I, [256-]257). Diese Erklärung von K. Hengst a.a.O. übernahmen Ernst Eichler und Hans Walther in HONSa (a.a.O., s.o.). (Überraschend findet sich allerdings jüngst bei Karlheinz Hengst 2021: 144 die Rede von „altsorbischen Kräften in Zöblitz [< *Sobelici  ‚Ort der Leute eines Sobel‘]“). Wenn schon bei Hevlín die Frage zu stellen ist, ob diese Form nicht direkt auf der deutschen ursprünglichen oder aber rückgebildeten, undiphthongierten deutschen Form als bloßer phonologischer Kalk beruht, ohne weiteres passend zum tschechischen allgemeinen und toponymischen morphologischen System, – ähnlich wie im Falle Derfle, anders als im Falle von Derflík und Derflice, wo größere Umwandlungen im suffixalen Bereich des tschechischen Integrats stattfanden (vgl. Hosák/Šrámek 1970: I, 174) – , ist bei Zöblitz auch und erst recht zu fragen, wieso hier nicht eben von Wiederherstellung der ursprünglichen deutschen nicht-genitivischen Form oder aber von spontaner, unreflektierter Rückbildung auszugehen wäre.

Sodann spielt das zweite Problem der Namensgeschichte eine Rolle: Die Frage, ob nicht, (a) so nahe an Böhmen, an einem der „alten böhmischen Steige“, wichtigen Verbindungswegen zwischen der Mark Meißen und Böhmen, gelegen, (b) mit schließlich typisch slawischem toponymischen Morphem –itz  und (c) eben einer auf dem Hintergrund der regionalen Ortsnamentypologie offensichtlichen Unebenheit in der Namensentwicklung und (d) an einem Standort mit Bachnamen zweifellos slawischen Ursprungs in der Umgebung (Walther [1960; zitiert nach ders. 1993: 287]) slawischer Ursprung des Oikonyms vorliegen könnte (/sollte).

Die oben aus HONSa zitierte Namenserklärung unterstellt, es hätten am Ort Slawen gewirkt und einen deutschen Ortsnamen an das slawische System angepaßt. Dies scheint jedoch eine nicht unbedingt plausible und  notwendige Alternative zur Annahme einer rein slawischen Namensgebung zu sein, der dann eine Eindeutschung des Namens (die schon Hans Walther a.a.O. mit in Betracht gezogen hatte) gefolgt wäre.

Wegen der Ähnlichkeiten in historischen Belegen zu zwei böhmischen Orten wie 1330 Sobolus zu Sovolusky/deutsch Soblitz und 1543 w Sobolusych, 1651 Zobolesz, 1654 Czobles, 1785 Zobles, deutsch dialektal Zobeles zu Sovolusky/deutsch Zoboles und angesichts der geographischen Nähe dieser Orte sowie geographisch-politisch bestehender Verbindung fiel schon bei Gustav Hey (1893: 172) und später bei Karlheinz Hengst (1978: zitiert nach ders. 1999: 225) der Blick auf den tschechischen pluralischen zweigliedrigen Bewohnernamen Sovolusky. Nicht weniger auffällig waren die deutsche Form des Oberlausitzer Namens Zoblitz/obersorbisch Sobołsk und die Übereinstimmungen zwischen Belegen des 15./16. Jahrhunderts und solchen von Zöblitz auch hier. Angesichts der ältesten Belege erschien K. Hengst seinerzeit jedoch zumindest ein „geradliniger“ etymologischer Anschluß dieser Namen zum Namen Zöblitz „absolut“ unmöglichDie Möglichkeiten eines solchen Anschlusses, freilich eines eher „nicht-geradlinigen“, bestehen aber m.E. durchaus – wie im folgenden skizziert werden soll.  

Als der Ersterwähnung 1323 vorausliegend anzunehmen ist eine Entwicklung aus der slawischen Grundform *Sowolusci (Nominativ Plural; Akkusativ *Sowolusky, später umfunktioniert zum neuen Nominativ), altsorbisch *Sowołusky (Genitiv *Sowołusk, wohl Grundlage des Integrats), woraus der tschechische Ortsname Sovolusky stammt. Es handelt sich um einen zweigliedrigen pluralischen Bewohnernamen, dessen Hinterglied gebildet ist zu *lusk-, Stamm des Verbs urslawisch *luskati, tsch. louskati ›knacken (z.B. Nüsse); schälen, enthülsen (Bohnen, Erbsen, Mohn)‹, ›schnalzen (mit den Fingern)‹, ›gierig verspeisen oder trinken‹, aber auch ›schlagen‹ (vgl. Machek 1968: 344), das Vorderglied  von Sovolusky zu *sowa ›Eule‹ (Profous: IV, 141f.). Zu dem in Böhmen sechsfach vorkommenden Namen gesellen sich im tschechischen und altsorbischen Bereich noch einige weitere altwestslawische Ortsbenennungen des Typs zweigliedriger Bewohnername mit dem Hinterglied *-lusk-: späturslawisch *Bobolusk-, *Gorcholusk-, *Makolusk-, *Rakolusk-, *Swinьjelusk– zu *bob– ›Bohne‹, *gorch– ›Erbse‹, *mak– ›Mohn‹, *rak– ›Krebs‹, *swinьja ›Schwein‹ als Basis des Vordergliedes. Während sich noch völlig plausibel *bob-, *gorch-, *mak– mit lusk– zu einem sinnvollen Begriff  ›Leute, die Bohnen usw. enthülsen‹ formt, wurde nach anfänglicher Verlegenheit, wie in *Rakolusky und *Sowolusky ein Sinn zu sehen wäre (vgl. Profous: IV, 142), schließlich für die wahrscheinlichste Deutung dieser Fälle gehalten, an die auch bezeugte Bedeutung ›gierig verspeisen oder trinken‹ anzuschließen und anzunehmen, daß der Name vielleicht als Spott auf die Bewohner zu verstehen ist, die angeblich gierig Eulen verspeisen (vgl. auch Profous: IV, 556f., zu Svinělusky). Laut Šmilauer (1960: 46) soll es sich sämtlich um abgelegene Orte handeln und war wohl Ort, „wo sie Eulen verspeisen”, vergleichbar der Redensart „… wo sich die Füchse gute Nacht sagen“.

Für den oralen Usus hat man offenbar mit Reduktionen schon für recht frühe Zeit (ich vermute: frühes 13. Jahrhundert) zu rechnen. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes ist die Entwicklung des Integrats von *Sowolusk- hin zu Zöbelin folgendermaßen zu rekonstruieren: */tsowolusk/ → */tsowelusk/ → */tsowlsk/ →  */tsowlts/. Anzunehmen ist, daß die erste der beiden neuzeitlichen dialektalen Formen, von den beiden oben zitierten zweifellos die ältere, [ʦe:wlʦ], bereits längere Zeit vor dem ersten Beleg entstanden ist. Sie ist im übrigen aber Resultat der w-Palatalisierung (der sogenannnten „meißnischen Palatalisierung“ – vgl. (Große 1957: 75-79): */tsowl(t)s/ → /tse:wl(t)s/ (oder auch */tsowelusk/  → */tse:welusk/ → /tse:wl(t)s/).

Die kontrahierten Formen */tsowl(t)s/ || /tse:wl(t)s/ des oralen Usus konnten nun ihrerseits falsche Streckung zu */tsoweli(t)s/ || */tse:weli(t)s/ erfahren. Hinzukam der Wandel /w/ → /b/ (vgl. auch einige Formen mit –b– in der tschechischen Sovolusky-Gruppe – siehe weiter oben genannte). Zu beachten ist, daß -/w/- in der dialektalen Form [ʦe:wlʦ] auftritt, und zwar nur da, in der literalen Tradition hingegen nie. Als Beweis für eine –w-haltige slawische Ausgangsform kann diese Dialektform freilich nicht gelten, da im Dialekt primär ein Wandel /b/ → /w/ gilt (vgl. den Flußnamen Weißeritz aus altsorbisch *Bystrica  – HONSa 2001: II, 568). Von */tsobeli(t)s/ aus konnte die Eindeutung in den Typ der Deminutiv-Genitiv-Formen erfolgen: */tsobelis/ → */tsobeli:ns/ (analogische Umkehrung) sowie Rückbildung einer neuen Nominativform durch Auslassung der Genitivendung –s: */tsobeli:n/. Es geschah Resemantisierung unter Anlehnung an den Personennamen (Familiennamen, evtl. auch Übernamen) Zobelīn (→ Zobelein) . Diese Form des Ortsnamens hatte aber keinen Bestand, wie die weiteren Belege nach 1323 zeigen.

Die (deutsche) Resemantisierung dürfte durch die Aufwertung von |*Sowolusk-||*/tsobeli(t)s/ zur städtischen Siedlung mit Zollstation an einem der alten böhmischen Steige befördert worden sein.

Die  Verbindung von Zöblitz und Böhmen ist aktenkundig mit dem Beleg 1401 zu Czoboleins, aus einer Urkunde des böhmischen Königs Wenzels IV. Möglicherweise beruht die Graphie mit -<o>- in der zweiten Silbe auf in verlorener böhmischer Tradition wurzelnder Regraphie einer Form des Integrats */tsoboli(t)s/ o.ä., in der auch die zweite Silbe von *Sowo– noch reflektiert war.

Wenn der seinerzeit von Karlheinz Hengst  neben den böhmischen Vergleichsnamen Soblitz und Zobeles erwähnte Oberlausitzer Name Zoblitz/Sobołsk trotz der teilweise genauso deutlichen Ähnlichkeiten der Belegreihe doch mit seinen ältesten Belegen – wohl vor allem wegen der etwas irritierenden Graphie <Zebe>-, <Zebu>- – für ihn, wie schon für H. Strobel (1975: 147), eigentlich fast den Ausschlag dafür gab, einen slawischen Ursprung von Zöblitz nicht weiter ernsthaft in Erwägung zu ziehen, ergibt sich da bei neuem Hinsehen, daß Zoblitz/Sobołsk wider Erwarten und bisherige Forschermeinung „derselbe“ Name ist wie Zöblitz (und eben die tschechischen Sovolusky).

Zoblitz/obersorbisch Sobołsk, nordöstlich Löbau: [Die Belege sind nicht immer sicher von denen für den gleichnamigen Ort rechts der Neiße, heute poln. Sobolice, zu trennen.] – 1345 Zebelusk, Zebulusk [eher Zo- ?; LBr.Kittlitz] CDLS I 249; 1348 Zscobelisk [Zst– ?] StA Bau. Baruth U 48, K dieser U [17. Jh.] Zobelußk LiGör. 2, 241; 1418 Coblusk; 1438 Zobelosk; 1454 Zobelißk ebd. 112; 1490 Czobelliß; 1533 Zoboleß; 1732 Zoblitz OLKarte; – dialektal [ʦo:pliʦ]; obersorbisch: 1700 Ssobusk Frenzel Hist. pop. 423; 1800 Sobolsk OLKal. 220; 1843 Sobołsk HSVolksl. 291; 1886 Sobołsk Mucke; – dial. †. (Belege nach HONSa 2001: II, 648 [phonetische Transkription nach API adaptiert]). – Gegen die Deutung in der bisherigen Forschung  als altobersorbisch *Sebělusky oder *Sobělusky mit dem Dativ des Reflexivpronomens im Vorderglied und dem Stamm von *luskati (s.o.) (Eichler 1964: 71; Eichler 1965: 118; Eichler/Walther 1975: 349f.; Meschgang 1973: 150; Eichler 1985-2009: IV, 124; HONSa a.a.O.; Wenzel 2008: 193) sprechen folgende Faktoren: Erstens weist die neuobersorbische Überlieferung auf -/o/- … -/o/- in den ersten beiden Silben, zweitens fehlt für eine obersorbisch-dialektale Umwandlung von sebi in die Form sobě, die da angenommen werden müßte – die standardmäßig im Tschechischen und Polnischen gilt – , außerhalb der Propria sonstige Evidenz (vgl. Schuster-Šewc 1978-1989: 1278) und drittens fiele angesichts der recht großen Zahl altwestslawischer Ortsnamen mit dem Hinterglied *-lusk-, in denen der verbale Bestandteil  durchweg den Charakter eines transitiven Verbs hat (›enthülsen; verspeisen‹ – s.w.o.), ein Name mit intransitivem *-lusk-, wie er hier vorliegen müßte – vgl. die sich auf die obersorbische Zweitbedeutung ›dumpf schallen, knallen, knacken‹ berufende Deutung bei Walter Wenzel a.a.O., aus dem Rahmen und bliebe ohne Vergleichsnamen. Es handelt sich um altobersorbisch *Sowołusky (Genitiv *Sowołusk). Falls nicht, wie in den zitierten Vorgaben zur Belegkette als möglich vermerkt, der Beleg zu 1345 zu *<Zobelusk>, *<Zobulusk> zu korrigieren ist, wäre die Rehabilitierung von <Zeb>- wiederum durch Annahme der „meißnischen Palatalisierung“ (s.w.o.) möglich: */tsowolusk/ → */tsewelusk/ → */tse:belusk/. Die umgelautete Form wäre alsbald zurückgedrängt und aufgegeben worden – gewiß in Rückkoppelung mit der bis ins 19. Jahrhundert weiter lebendig gewesenen sorbischen Form. Der bereits zur Geschichte von Zöblitz festgestellte Wandel /w/ → /b/ sowohl im deutschen Integrat als auch in den neuobersorbischen Namensformen stellt auch hier kein Problem dar. In der weiteren Geschichte des obersorbischen Namens entstand spätestens im 16. Jahrhundert durch den regulären Wandel -/ł /- → -/w/- und  Ausfall von -/u/- die zweite Silbe mit Diphthong -/ou̯/- (<Sobołsk> = [sobou̯sk]). Der Beleg aus Frenzel zu 1719 zeigt  Hebung und Monophthongierung von -/ou̯/- zu -/u/- (wie im Falle des obersorbischen Adjektivs runy ← *rowny). Der ursprüngliche Genitiv Plural wurde, nachdem der Name *Soboł(u)ski (o.ä.) etymologisch intransparent geworden war, umgedeutet zum Nominativ Singular. Die neuobersorbische Form läßt sich einwandfrei auf den Stamm *Sowołusk– der altobersorbischen Grundform *Sowolusci zurückführen. – Die Deutung als *Sebělusk-/*Sobělusk– ist m.E. verfehlt. (Für Zöblitz hat sie – zu recht – bisher niemand in Erwägung gezogen.

Der in Profous (IV, 142) zu Sovolusky getroffenen Aussage, dieser Name komme nur in Böhmen vor, ist mit der obigen Deutung von Zöblitz (und Zoblitz) zu widersprechen.

Fazit: Für Zöblitz kann „die Slawentheorie“ genauer und mit neuen  Argumenten untersetzt entschieden vertreten werden. Sein Ursprungsname ist ein hochinteressanter Vertreter des Typs der pluralischen zweigliedrigen westslawischen Bewohnernamen, die, oft – wie auch dieser –  Spottnamen, zur ältesten slawischen Ortsnamenschicht gehören und u.a. ob ihrer oft heute rätselhaften Motivbedeutung immer wieder im Fokus der Aufmerksamkeit der slawischen onomastischen Forschung stehen.

Literatur:

Braun von, Ernst (1868): Geschichte der Burggrafen von Altenburg, Altenburg.

Eichler, Ernst (1964): Ergebnisse der Namengeographie im altsorbischen Sprachgebiet, in: Materialien zum Slawischen Onomastischen Atlas. Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse, Bd. 108, H. 6, Berlin, 13-78.  [Nachgedruckt in: ders. (1985: 33-98.]

Eichler, Ernst (1965): Zur Methodik der Namenforschung im deutsch-slawischen Berührungsgebiet, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, Jg. 14, H. 1, 117-122. [Nachgedruckt in: ders. 1985: 99-104.]

Eichler, Ernst (1985): Beiträge zur deutsch-slawischen Namenforschung (1955-1981). Mit Vorwort und Register, Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig, 99-104.

Eichler, Ernst (1985-2009:) Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße, 4 Bde, Domowina-Verlag, Bautzen.

Eichler, Ernst; Walther, Hans (1986): Städtenamenbuch der DDR, VEB Bibliographisches Institut Leipzig.

Große, Rudolf (1957): Namenforschung und Sprachgeschichte im Meißnischen, in: Leipziger Studien. Theodor Frings zum 70. Geburtstag (DS 5), Halle, 63-79.

Hengst, Karlheinz (1978): Zur Namengebung im oberen Erzgebirge, in: Namenkundliche Informationen 34, S. 1-13 [nachgedruckt in: ders. (1999): Beiträge zum slawisch-deutschen Sprachkontakt in Sachsen und Thüringen, hg. von Wolfgang Dahmen, Ernst Eichler und Johannes Kramer, Wissenschaftlicher Verlag A. Lehmann, Veitshöchheim bei Würzburg, 218-228].

Hengst, Karlheinz (2021): Ostmitteldeutsche Schlett-Toponyme im Spiegel von Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte und die Problematik ihrer Verifizierung. Ein  Beitrag zur Methodik der Namenforschung, in: NI 113, 127-158.

Hey, Gustav (1893): Die slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen, Dresden.

HONSa (2001) = Eichler, Ernst; Walther, Hans: Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, 3 Bde, Bearbeitet von Ernst Eichler, Volkmar Hellfritzsch und Erika Weber, Berlin.

Hosák, Ladislav; Šrámek, Rudolf  (1970): Místní jména na Moravě a ve Slezsku, 2 Bde, Praha.

Profous = Profous, Antonín (1954-1960): Místní jména v Čechách: Jejich vznik, původní význam a změny. Díl I-V. Praha. [Teil IV fertiggestellt von Jan Svoboda, Teil V bearb. von Jan Svoboda und Vladimír Šmilauer].

Schuster-Šewc, Heinz (1978-1989): Historisch-etymologisches Wörterbuch der obersorbischen und niedersorbischen Sprache, Domowina-Verlag, Bautzen.        

Schwarz, Ernst (1961): Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle, Verlag Robert Lerche, München.

Šmilauer, Vladimír (1960): Osídlení Čech ve světle místních jmen, Praha.

Strobel, Horst (1975): Toponymische Studien zum Erzgebirge und seinem Vorland, Dissertation zur Promotion A (Masch.), Karl-Marx-Universität Leipzig.

Walther, Hans (1960): Slawische Namen im Erzgebirge in ihrer Bedeutung für die Siedlungsgeschichte, in: Beiträge zur Namenforschung (Heidelberg), Jg. 11, S. 29-77  [nachgedruckt in: ders. (1993): Zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte Sachsens und Thüringens. Ausgewählte Beiträge 1953-1991, Reprintverlag Leipzig im Zentralantiquariat GmbH, 243-291.]

Wenzel, Walter (2008): Oberlausitzer Ortsnamenbuch, Domowina-Verlag, Bautzen.