László Kovács, Katharina Zipser, Viktória Szőke, Erika Kegyes (Hg): Marken im Kontext von Kultur und Sprache. Die kulturelle Vermittlungsfunktion österreichischer und ungarischer Marken. Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2024. 496 S. – ISBN: 978-3-339-13782-1, Preis: EUR 149,80.
Rezensiert von Anikó Szilágyi-Kósa
Der zweisprachige Band, der in der Schriftenreihe Philologia (Band 275) des Hamburger Verlags Dr. Kovačveröffentlicht wurde, liegt an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Marketing und bietet Erkenntnisse für beide Wissenschaftsbereiche.
Der Projektband fasst die Erkenntnisse zusammen, die im Projekt „Marken als Kulturträger. Die kulturvermittelnde Rolle von österreichischen und ungarischen Produkten – eine kontrastive sprachpragmatische Untersuchung“ (gefördert durch die Stiftung Aktion Österreich-Ungarn 2022–2023) erarbeitet wurden. Durch die theoretische Verortung, die linguistischen Beiträge (teilweise von Studenten verfasst) und die zusammenfassenden Texte kann der Band als kleines zweisprachiges Lehrbuch zur Linguistik der Markennamen verstanden werden. Somit wächst die Zahl der auf dem Gebiet der angewandten Linguistik entstandenen „Bindestrich-Disziplinen“ um die Marketinglinguistik.
Die einzelnen Beiträge (11 deutschsprachige sowie 13 ungarische) wurden nicht nach Sprachen eingeordnet, sondern nach thematischen Bereichen, wobei das Einordnungsprinzip nicht immer klar hervortritt.
Ein Teil der Beiträge widmet sich grundsätzlichen theoretischen Fragen: allen voran die beiden Einführungstexte von László Kovács (Marken und Kultur – Schnittstellen und Zusammenhänge, 15–35) und Erika Kegyes (Überzeugung durch Kultur? Marken, Markennamen und Markenattribute als Kulturträger, 36–62).In beiden Beiträgen werden die Zusammenhänge und Differenzen zwischen Produkten und Marken, sowie Produkt- und Markennamen erörtert – eher von Seiten des Marketings als der Onomastik betrachtet. (Davon zeugen auch die Literaturverzeichnisse der einzelnen Studien.) Außerdem führen die beiden Autoren – als Teil der Einführung in das Thema – die bekanntesten länderspezifischen Marken aus Österreich und Ungarn (z.B. Almdudler, Mannersowie Herendi, Unicum) vor Augen. Selbstverständlich bietet die gemeinsame Geschichte der beiden Länder auch einige „gemeinsame“ bzw. grenzüberschreitende Marken, z.B. Kotányi. Im ersten, einführenden Kapitel des Buches kommen überdies kulturelle Aspekte der Markenwerbung zur Sprache.
Im zweiten, größeren Kapitel (65–255, mit insgesamt zehn Beiträgen, von denen je zwei zum Teil identisch in Ungarisch und auch in deutscher Übersetzung aufgenommen wurden) geht es um empirische Fallstudien zu ausgewählten österreichischen und ungarischen Marken(namen). Die Methoden sind dabei äußerst vielfältig: László Kovács und Viktória Szőke (Österreichische und ungarische Marken und Assoziationen. Ergebnisse einer österreichischen Datenerhebung, 93–122) arbeiten mit Markenassoziationen, deren Daten sowohl in Österreich als auch in Ungarn durch Befragung aufgenommen wurden. Dabei zeichneten sich Red Bull, Manner und Rauch als bekannteste österreichische Marken ab. In ihrem nächsten Beitrag (Die Beurteilung österreichischer und ungarischer Markennamen und Produktverpackungen mit semantischem Differential, 144–162) arbeiten die beiden Autoren bei der Analyse von Verpackungsaufschriften mit der von Osgood erarbeiteten Methode des semantischen Differenzials; die Beurteilung von Markenprodukten aufgrund ihrer Verpackung wurde durch Befragungen sowohl in Österreich als auch in Ungarn ermittelt. Als Ergebnis zeichnet sich ab, dass ungewöhnliche Schriftzeichen die Markennamen „exotisch“ machen, während die Kürze der Markennamen durch leichte Merkbarkeit zum positiven Image beiträgt.
Katharina Zipser und Erika Kegyesnehmen Lebensmittelmarken unter die Lupe (Eine Analyse österreichischer und ungarischer Markennamen aus dem Lebensmittelsektor, 163–182): Mit diesem Beitrag beginnt eine Reihe von Untersuchungen mit konkretenonomastischen Fragen der Markennamen (und Markennamengebung). Die Autorinnen analysieren das von österreichischen und ungarischen Webseiten gewonnene Korpus aufgrund von linguistischen Merkmalen (Aufbau, Semantik, Verhältnis zu Appellativa und anderen Eigennamen usw.).
Birgit Larcher und Oliver Koll (Der Einfluss des Namens auf den Erfolg von Marken. Eine vergleichende Analyse Österreich – Ungarn, 183–200)untersuchen mehr als 1.600 Markennamen von Lebensmitteln in Österreich und Ungarn anhand von verschiedenen linguistischen Merkmalen (Zahlen als Bestandteile, Wortlänge, Anfangsbuchstaben) und setzen diese mit dem Marktanteil der entsprechenden Lebensmittelmarken in Verbindung. Sie stellen fest, dass dabei keine besonders großen Abweichungen im österreichischen und ungarischen Korpus existieren.
Die Studie von József Pethő (Blending und Wortspiel in österreichischen und ungarischen Werbeslogans, 201–210) führt anhand von deutschen und ungarischen Beispielen auf der Grundlage der Blendingtheorie vor Augen, für welche Art Wortspiele die Markennamen (zu Werbezwecken) verwendet werden. Er analysiert dabei Wortspiele wie Milkarácsony (‚Milka-Weihnachten‘) und Gut.Besser.Gösser als äußerst komplexe Metaphern.
Der computerlinguistisch orientierte Beitrag von Erika Kegyes (Semantische Felder und die geheime kulturelle Wirkung semantischer Relationen in der Werbewirkungsforschung, 211–230) konzentriert sich auf die semantische Analyse von online-Inhalten (durch das Forschungsmittel Semager) und sucht dabei nach „Kulturwörtern“ (kulturell geprägten Begriffen). Die Autorin führt anschaulich vor Augen, wie implizite Markenwerte zu Trägern kultureller Werte werden.
Csenge Sabján (Die Untersuchung von Anfrage und Beurteilung von ungarischen Produkten, 230–237) und Nikoletta Kaszás, Krisztina Keller und László Kovács (einheimische Werte, einheimische Marken: Untersuchung von Markenbekanntheit ungarischer touristischer Destinationen, 238–255) beschreiben Ergebnisse von Marketinguntersuchungen in Bezug auf ungarische Produkte/Marken. Im zweiten Beitrag stehen neben geographischen Namen (als Namen von touristischen Zielen) Logos, Werbeslogans und ihre Bekanntheit im Vordergrund.
Mit der Studie von Géza Balázs (Die Anthropologie von Markennamen, 259–271) kehrt der Band wieder zu theoretischen Fragen zurück: Sie verortet die Existenz von Markennamen zwischen primärer (natürlicher) und sekundärer (künstlicher) Namengebung und beschreibt ihre sprachliche Variation mit vielfaltigen Beispielen (McDonald’s > mekdönci, meki, mekdodó) als natürlichen sprachlichen Prozess.
Imre Gráfik interpretiert in seinem Beitrag Ladenschilder als Markenzeichen. Sein (folkloristisch orientierter) Text beschreibt Ladenschilder als historische Phänomene des Handels seit der Antike, dabei führt er Ladenschilder der Bäcker und der Winzereien vor Augen. (Im Hintergrund seiner Ausführungen steht das ungarische Sprichwort: „Jó bornak nemkell cégér.“, d.h. ‚Ein guter Wein braucht kein Ladenschild.‘)
Judit Hidasi stellt in ihrem Beitrag interkulturelle Bezüge der Markennamen-Thematik vor (Kulturvermittlung durch Markennamen im japanischen Kontext,312–323). Sie vergleicht den Stellenwert einiger österreichischer und ungarischer Markennamen mit dem von japanischen und stellt einige international bekannte japanische Marken (auf dem Gebiet der Gastronomie) vor.
Die textlinguistisch orientierte Untersuchung von Eva Lavric (Wenn Bier-Beschreibungen Wein-Beschreibungen imitieren – eine Textsorte im Internet, 324–357) bietet einen Einblick in die kulinarische Linguistik. Die Autorin umreißt die Textsorte „Weinbeschreibung“ und stellt sie als Muster für Bier(sorten)beschreibungen im Internet vor. Ihre text- und diskurslinguistische Untersuchung besteht aus zwei Schritten: einer externen und einer internen Analyse, die sowohl textsortenspezifische als auch strukturelle und lexikalisch-stilistische Merkmale dieser Textsorte erfassen.
Der Teil der studentischen Beiträge wird durch die theoretische Fundierung von Lea Brabetz und Erika Kegyes eingeleitet (Die diskursive Konstruktion von Markenidentität österreichischer Produkte, 361–392). Mit den hier detailliert dargestellten Analysemethoden arbeiten die darauffolgenden Studien von Dollenstein et al. (393–440) in Bezug auf ungarische Werbungen, von Biró und Csejtei zu Werbungen der Marken Red Bull und Hell (441–446), von Penk und Mestyán zu Sió und Rauch (447–454), von Rohregger und Mayr zu Red Bull (455–467, hier auf Deutsch) sowie von Varga und Sebők (468–473) zu den vergleichbaren Marken Győri édes (in Ungarn) und Manner (in Österreich).
Im letzten Abschnitt des zweisprachigen Bandes werden die Projektergebnisse in zwei Studien (in zwei Sprachen) zusammengefasst. Kegyes (Über Markendiskutieren, 476–485) summiert die Feststellungen der letzten Diskussionsrunde über Form und Funktion der Slogans als Teil von Werbekonzepten. Kovács (Marken und Kultur im österreichisch-ungarischen Kontext, 488–496) fasst die Ergebnisse der kontrastiven empirischen Untersuchungen zusammen und unterstreicht die kulturellen Bezüge der Markennamenverwendung. Der letzte Beitrag bietet den Wirtschaftsfachleuten auch Empfehlungen für die Markennamengebung.
Obwohl die Anordnung der Beiträge nicht ganz logisch strukturiert erscheint, bietet der zweisprachige Projektband äußerst vielfältige theoretische und empirische Erkenntnisse über die bunte Welt der Markennamen – sowohl für Marketingfachleute als auch für Linguisten (Namenforscher).